Die Reittherapie wird von den Kindern nach wie vor mit großer Begeisterung angenommen und wertgeschätzt.
Die Kindern lernten durch immer gleichbleibende Rituale den Ablauf kennen und können Teilschritte schon selbständig erledigen: das Pferd von der Koppel führen und an den Putzplatz bringen. Dort angekommen wird unser Sipke mit Striegel und Bürste geputzt und für das Reiten vorbereitet. Die Abfolge des Putzens und der richtige Gebrauch der Putzutensilien klappt bei den Meisten schon ohne Anleitung. Immer wieder ist hier aber Vorsicht geboten: bei zu forscher Herangehensweise ist das Pferd manchen schon auf den Fuß getreten. Dies hat schon vielen Kindern den gesunden Respekt gegenüber einem so großen und majestätischen Wesen eingebracht.
Hingegen trauten sich Kinder mit großen Unsicherheiten/Ängsten beim Putzen erste Kontakte mit Sipke zu knüpfen. Zuerst beobachteten sie den Umgang der anderen Kinder mit Sipke, dann fassten sie Mut und begannen unter meiner Begleitung den Bauch zu streicheln und letztlich zu bürsten. Der Kopf des Pferdes ist dann aber immer noch eine große Herausforderung, da dieser mehr Beweglichkeit aufweist, was für Angstkinder in den ersten Stunden noch zur Überforderung führen würde.
Bevor es auf den Rücken des Pferdes geht, gibt es bei einer Gruppe zuerst Dehnungsübungen am Boden. Hierbei sollen sie ihre Beine gut dehnen, was ihnen das anschließende Aufsteigen erleichtert. Das Aufsteigen stellte zuvor immer ein großes Problem dar, doch mit diesen Übungen haben wir große Erfolge erzielen können.
Durch verschiedene Voltigierübungen haben unsere Kinder ein besseres Körpergefühl und Beweglichkeit erlangt, sowie Rhythmus und Gleichgewicht wurden geschult.
Durch verschiedene Spiele, wie Ballspiel, Memory, Bowling, Sing- und Bewegungsspiele, Würfelspiel, Stationsspiel, Wasserspiele etc. wurden Koordination, Balance, Geschicklichkeit, Merkfähigkeit, Selbstwahrnehmung und der Zusammenhalt unter den Kindern gefördert.
Während der Sommerkoppelsaison heißt es immer „Natur pur“. Inmitten von Weinbergen und Feldern befindet sich ganz versteckt die Sommerkoppel, auf der unsere Pferde 6-8 Wochen „Urlaub“ machen können. Sipke wird auf der Wiese geputzt und danach reiten wir durch das herrliche Gelände. Besonders gerne tauchen die Kinder hier in Fantasiegeschichten und Spielchen. Hier entstehen viele Fotos für die Reittherapieordner von den Kindern.
Manche Dinge kannte Sipke noch nicht und so durften die Kinder ihm beibringen, dass man vor Seifenblasen, Musikinstrumente und auch Inliner keine Angst zu haben braucht. Durch die Desensibilisierung lernte Sipke sehr schnell und die Kinder wuchsen in ihrem Selbstbewusstsein, dass sie diesem großen Pferd etwas beibringen konnten. Ebenso erfuhren sie die Körpersprache unsichere Pferde- hocherhobener Kopf mit angespannten Halsmuskeln, aufgerichtete Ohren, stehen bleiben, rückwärts, seitwärts ausweichen und dazu schnaubende große Nüstern. Und gleich darauf der Gegensatz– entspannter Hals, neigender Kopf, zufriedenes Abkauen, Ohren entspannt seitlich, kompletter Körper ist entspannt.
Immer wieder stand aber auch das Getragen werden, Vertrauen schaffen, sich wohl und geborgen zu fühlen im Vordergrund. Das Angenommensein und sich gut zu fühlen begleitete stets meine Arbeit.
Ein paar konkrete Beispiele:
Ein 15 Jähriges Mädchen, welches unter Zwängen leidet (ständiges Händeaschen etc.) packt beim Stalldienst mit an, putzt und versorgt das Pferd, reitet, spielt und wäscht sich lediglich nur 1x bevor wir nach Hause fahren die Hände. Ihren Zwang hat sie in Gegenwart der Pferde vollkommen vergessen.
Auch eckt dieses Mädchen durch ihre langsame Art sehr oft im Alltag an. Beim Pferd ist sie wie ausgewechselt- arbeitet fleißig, beweist Durchsetzungsvermögen und setzt alles sofort in die Tat um.
Auch ihrer Skoliose hat die RT geholfen. So hat sie die Übungen von der Krankengymnastik auf unserem Sipke gemacht und stets auf eine gute Körperhaltung geachtet.
Dieses Mädchen schätzt die RT besonders wert, da es von ihr schon immer ein Kindheitstraum war etwas mit Pferden zu tun zu haben, sie aber nie glaubte, dass sie jemals die Chance dazu bekommt. Das Gleiche gilt auch für ihre zwei Geschwister, welche mit ihr in der RT- Gruppe sind.
Zwischen den Geschwistern herrscht zwar auch in der RT viel Konkurrenz und jeder möchte von mir hören, ob er der Beste ist- aber gleichzeitig sind sie sehr dankbar, dass sie dies als Geschwister zusammen erleben dürfen und auch ihre Schwestern in einem anderen Licht sehn können.
Ein 7-jähriges Mädchen, welche sehr durch Ängste gegenüber Tieren geprägt wurde, konnte Schritt für Schritt ihre Ängste abbauen und Vertrauen in unseren Sipke fassen. Auf Grund der Größe- sie sehr klein, Pferd sehr groß- konnte dies besonders gut vom Rücken des Pferdes erarbeitet werden.
Unser geistig behindertes 18 jähriges Mädchen, welche schon seit 2 ½ Jahren mit von der Partie ist, erfährt bei meinem Sipke immer wieder Ruhe und Angenommensein. Für sie ist das Fühlen, Streicheln und Massieren viel wichtiger, als das Reiten. Wenn Sipke mit ihr „kuschelt“ ist sie vollkommen glücklich und erzählt dann immer wieder, dass er sie mag.
Wenn ich sie nach Hause bringe muss ich dies immer auch den anwesenden Erziehern mitteilen.
Wie ich selber und auch aus Rückmeldungen von anderen Erziehern erfahren konnte, freuen sich die Kinder immer sehr auf die Reittherapie. Auch im Nachhinein sind sie noch eine ganze Weile entspannt und ausgeglichen.
Seit diesem August begleitet ein Tinkerpony namens Jonny die Reittherapie. Da er schwarz-weiß gescheckt, etwas kleiner ist und absolute Ruhe und Freundlichkeit ausstrahlt haben die Kinder sogleich einen engen Bezug zu ihm aufbauen können. Er wurde beschmust, geführt und auch durften schon ein paar Kinder ohne Sattel auf ihm reiten. Dies führte zu vielen strahlenden Kinderaugen.
Da er erst 6 Jahre alt ist und noch nicht viel vom Reiterleben mitbekommen hat, muss unser kleiner Jonny noch viel lernen.
Die Kinder freuen sich schon darauf ihm ihre Welt zu zeigen.